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"Die Krise der bürgerlichen Welt", Auszug aus "die Neugeburt des deutschen Rechts von 1933, Roman Boos

Zitat

Die Krise der bürgerlichen Welt

(Ein Auszug aus den Seiten: Die Neugeburt des deutschen Rechts von 1933, von Roman Boos, Einführung S. 13)

Eine unendliche Sehnsucht nach Heimat geht durch unsere alte Welt. Vor lauter Handlung und Tat und Praxis, haben wir den Boden unter den Füßen und den Himmel über unserm Haupt verloren. Und unsere Hände greifen ins Nichts.

"Krisis" *1) ist das Zeichen der Zeit, d.h.: "Spaltung", "Scheidung" (von "krinein", scheiden). "Parteiung" will das gleiche besagen: Standpünktelei in jedem und allem, ohne daß doch der "Punkt", auf dem man "steht", den "Stand" gewährleistet.

"Ständisch", mit "festen, markigen Knochen" wieder im Boden verwurzelt zu werden, sehnt sich der auf seinem subjektiven Pünktchen verlorene Mensch. Aus der kritisch-parteiischen Zerrissenheit strebt er in eine autoritär-totalitäre Geborgenheit.
und weil die Zeugnisse der bäuerlich-ritterlichen Welt des deutschen Mittelalters von solcher Geborgenheit künden, die Tatsachen der bürgerlichen Welt aber davon, wie sie im Lauf der Jahrhunderte gelockert, aufgebrochen, zertrümmert worden ist, sammelt sich die Sehnsucht nach Heimat in den Bildern und Formen des deutschen Rechts, durch welche Farbe und Stärke eines bäuerlich-heldischen Lebens in Grauheit und Unkraft unserer bürgerlich-händlerischen Fragwürdigkeiten strahlen.
Das "deutsche Recht" und die "bürgerliche Welt" sind einander ins Schicksal gebunden. Der "Bürgerlichkeit", mitsamt allen ihren Idealen und Einrichtungen, ist ein großer Teil der Menschheit überdrüssig geworden. Und wie einst das "Stadtluft macht frei" aus alten Gebundenheiten des Bauern- und Rittertums in die Stadtmauern lockte, so ruft aus Ungebundenheiten der neuen Zeit das "deutsche Recht", das ein Recht des Bindens und Bergens war, in Ordnung, Gliedschaft und Stand.

Was lebt im Willen zum "deutschen Recht"?
Allen denen, die nur von "Romantik und Reaktion" reden, zum Trotz, sei das Ziel dieses Willens mit dem einen kurzen Rechtssatz gezeichnet:

"Treu und Glaube"
Untreue und Unglaube waren giftige Gaben der Zivilisation - der Lebensart, die von "civis"*2), dem Bürger, den Namen hat. Untreue zum Boden und Unglaube an den Himmel. In dem, was heute mächtig und gewaltig oder still und beharrlich in den Menschen drängt und wächst, lebt das Tasten der Füße nach neuem Grund, das Suchen der Augen nach neuer Sicht.
Das auch Anderes, Minderes, Allzumenschliches stößt und wuchert, ist selbstverständliches Schicksal menschlicher Geschichte. Aber diese Zeilen sollen nicht beschreiben was "ist", sondern soll klären was wir wollen, damit Besseres werde, sucht es den Kern durch die Schalen - die Kraft des "Werde" in den Hüllen des "Stirb". Aus trüben Gästen auf der dunklen Erde wollen wir aber helle Erdenbürger werden! Aus der dunklen Gegenwart wollen wir eine hellere Zukunft herauskämpfen. Aber dieser Wille zum Licht ist selbst noch dunkler Drang. Um mehr zu werden, muß er selbst noch hell werden. Und der Aufgabe: Erkenntnis in den Sturm und Drang des Gegenwart-Wollens tragen und dieses in den Gesichtskreis der Einsicht heben zu helfen.....!
Die Skepsis: solches Erkennen sei nicht möglich, ist müßig. Denn der Kern der menschlichen Geschichte, ihre "Wirkenskraft und Samen", ist nicht in der Außenwelt, sondern im Menschen verborgen.

Anmerkung: *1) Das Wort "Kritik"/"Krise" ist abgeleitet von dem Wortsamm "krinein", das soviel bedeutet wie, (unter-)scheiden, trennen. Darunter versteht man, die Beurteilung eines Gegenstandes oder Handlung anhand von....!
In griechicher Übersetzung bedeutet "krinein", urteilen, spalten, richten!Denn Kritik, beinhaltet oftmals die Krise.

Anmerkung: *2) "Civis" lat. Bürger. Civis romanus sum = "ich bin römischer Bürger" (geltendes röm. Recht) Dieser Satz bewahrt die römischen Bürgerrechte, mit verweis auf die Staatsbürgerschaft als dauerhaftes und unauflösliches Rechtsverhältnis mit einem weltweiten Geltungsbereich.
John F. Kennedy bezeichnete in seiner berühmten Berliner Rede die Wendung "civis romanus sum" als den stolzesten Satz der Antike. Diese Rhetorik verwendete er auf seinem Empfang in Berlin, der historische Zeitgeschichte schrieb:

"Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz, 'Ich bin ein Bürger Roms'. Heute, in der Welt der 'Freiheit', ist der stolzeste Satz, 'Ich bin ein Berliner'. "Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger Berlins, und deshalb bin ich als freier Mensch stolz darauf, sagen zu können 'Ich bin ein Berliner'."
(Rede am 26. Juni 1963)