Lebendige Anthroposophie

Was hat Dr. Rudolf Steiner für die Menschheit geleistet?

 

Rudolf Steiner war kein bloßer Theoretiker. Zwar hat er in den genannten Schriften und Vorträgen* viel über die Hintergründe und Grundlagen der Anthroposophie geschrieben und gesprochen. Doch war sein hauptsächliches Ziel die praktische Anwendung seiner Erkenntnisse.

In den verschiedensten Lebensbereichen, zu denen die Pädagogik (freie Waldorf-Pädagogik), die Landwirtschaft (biologisch-dynamischer Landbau), die Medizin (anthroposophische Medizin), die Gesellschaftslehre (soziale Dreigliederung), die Religion (freie Christengemeinden) und die Kunst (Eurythmie, Sprachgestaltung, Malerei, Bildhauerei und Architektur) gehören.

*genannte Schriften und Vorträge unter Startseite/Wer war Rudolf Steiner?

Freie Bildung

Auf dem Gebiet der Pädagogik konnte Steiner auf eigene praktische Erfahrungen zurückgreifen. So hatte er während seiner Wiener Zeit jahrelang als Hauslehrer in der Familie Specht gelebt, wo er durch seine pädagogischen Konzepte erstaunliche Erfolge bei der Entwicklung der Kinder erzielen konnte. Später, in Weimar, lebte er in einer Familie mit fünf Kindern, deren Entwicklung er über Jahre begleitete. Nicht zuletzt durch diese Erfahrungen entwickelte er die Idee von der freien Bildung, die sich an den individuellen Bedürfnissen des Schülers statt an den Lehrplänen des Staates orientieren sollte. Daraus entstand die freie Waldorf-Pädagogik. Am 7. September 1919 eröffnete Rudolf Steiner zusammen mit  Emil Molt, dem Besitzer der damaligen Zigarettenfabrik Waldorf Astoria erstmals eine solche Einrichtung für die Kinder der dort beschäftigten Arbeiter in Stuttgart.

Steiner selbst definierte das Ziel seiner Pädagogik folgendermaßen:
Die Waldorfschul-Pädagogik ist überhaupt kein pädagogisches System, sondern eine Kunst, um dasjenige, was da ist im Menschen, aufzuwecken. Im Grunde genommen will die Waldorfschul-Pädagogik gar nicht erziehen, sondern aufwecken. Denn heute handelt es sich um das Aufwecken. Erst müssen die Lehrer aufgeweckt werden, dann müssen die Lehrer wieder die Kinder und jungen Menschen aufwecken.(GA 217, S. 236)

Inzwischen existieren weltweit über 1.000 solcher Waldorfschulen. Die 228 (Stand: 2018) deutschen Einrichtungen befinden sich in sogenannter freier Trägerschaft und gelten als staatlich anerkannte Ersatzschulen. Sicher haben sie im Laufe der Zeit viele Lehrer und Schüler aufwecken können. Die kritische Frage sei erlaubt, ob sie sich den ursprünglichen Geist, in dem sie Rudolf Steiner ins Leben gerufen hat, bis heute erhalten konnten.

Doch dankenswerterweise gibt es  heute Menschen, die sich für ein erneuertes freies Bildungswesen im Sinne Rudolf Steiners einsetzen, so wie es beispielsweise Axel Burkart über die Rudolf-Steiner-Gesellschaft www.rudolf-steiner-gesellschaft.de sowie in zahlreichen Youtube-Vorträgen tut. Am 11.09.2019 gründete Axel Burkart eine „Holiversität“, in der die Studierenden sich tiefgehend mit den erkenntnistheoretischen und später auch anthroposophischen Inhalten nach Rudolf Steiner vertraut machen können https://akademie-zukunft-mensch.com/holiversitaet/

Kunst und Architektur

Rudolf Steiner legte selbst Hand als Bildhauer an und schuf zusammen mit der Bildhauerin Edith Maryon eine acht Meter große Holzplastik, die er den Menschheitsrepräsentanten nannte. Das Kunstwerk zeigt Christus als den Menschheitsrepräsentanten zwischen den beiden Widersachern Ahriman und Luzifer. Die Plastik blieb beim Brand des ersten Goetheanums unversehrt und ist noch heute in Dornach bei Basel zu bestaunen.

Für einen großen Kongress im Jahre 1907 ließ Rudolf Steiner sie sieben Apokalyptischen Siegel nach seinen Vorstellungen durch die Künstlerin Clara Rettich gestalten. Auch entwarf er die vier Siegelbilder zu seinen Mysteriendramen. In den Mysteriendramen selbst sah Steiner nichts Vollendetes, sondern vielmehr den keimhaften Anfang, ein Neubeginn – ein Anfang in künstlerisch-dramatischer Hinsicht einerseits, in dem ein kraftvoller Impuls zur Neubelebung der Theaterwelt überhaupt liegt, anderseits ist in ihnen zugleich ein zukunftsweisender Weg aufgezeigt, geistige Wahrheiten in sehr lebendiger, konkreter Form an die Menschen heranzubringen.

Als eine der Hauptdarstellerinnen fungierte häufig Steiners enge Mitarbeiterin und spätere Ehefrau Marie von Sivers. Die Schauspielerin entwickelte spezielle Formen der Rezitation und machte sich besonders um die Fortentwicklung der Eurythmie, einer speziell von Rudolf Steiner entwickelten Bewegungskunst verdient. Seit 2006 wird Eurythmie professionell in der privaten Alanus Hochschule in Alfter gelehrt.

Als Ideengeber und Mit-Architekt schuf Rudolf Steiner schließlich ein unvergleichliches Bauwerk, das erste Goetheanum. Der Holzbau sollte der Menschheit als Heimstätte für das Studium und die Pflege der Anthroposophie hinterlassen werden, ein Ort, der allein durch seine Formen und Farben schon inspirierend auf die Kunstschaffenden und Studierenden wirken sollte. Welch eine Tragik, dass dieses wunderbare Bauwerk, an dessen Errichtung tausende Begeisterte mitgewirkt hatten,  mutwillig durch Brandstiftung zerstört wurde! Doch Rudolf Steiner ließ sich nicht entmutigen, sondern nahm ein neues Bauprojekt für das Goetheanum in Angriff, das allerdings erst nach seinem Tod im Jahr 1928 vollendet werden konnte. Der eindrucksvolle Bau befindet sich in Dornach bei Basel und ist Sitz und Tagungsort der allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft. https://www.goetheanum.org/

 

Biologisch-Dynamische Landwirtschaft

Bereits Anfang des 20igsten Jahrhunderts zeigten sich die ersten negativen Auswirkungen der damals bereits zum Einsatz gebrachten Mineraldünger und Pestizide, mit denen man die Landwirtschaft zu intensivieren und die Erträge zu erhöhen suchte. Qualitäts-, Geschmacks- und Nährstoffverlust der Nahrungsmittel waren die Folge.

Auf Wunsch der Gräfin und des Grafen von Keyserlingk und einiger anthroposophisch orientierter Landwirte hielt Rudolf Steiner 1920 eine Vortragsreihe auf Gut Koberwitz bei Breslau, in der er die Grundlagen für den Biologisch-Dynamischen Landbau entwickelte.

Nach Steiners Erkenntnissen wird der landwirtschaftliche Betrieb als Organismus betrachtet, auf dem möglichst viele Tier- und Pflanzenarten gehalten bzw. angebaut werden, die sich gegenseitig ergänzen und bereichern. Der Mist von Widerkäuern, in der Regel Kühe, wird als Dünger für die Pflanzen verwendet, die in wesensgemäßer Art und Weise angebaut werden. Die Böden werden durch bestimmte Präparate, zu denen auch Kuhhorn gehört, harmonisiert.

Hierzu schreibt Dr. phil. Wolf-Dieter Storl, Kulturanthropologe und Ethnobotaniker, in seinem Buch Pflanzendevas über die Entwicklung der  biologisch-dynamischen Präparate Rodolf Steiners: Diese sollen den Pflanzen helfen, sich wieder mit den Pflanzendevas und den formativen Kräften des Kosmos zu verbinden, um eine Stärkung hervorzubringen. Das erste bio-dynamische Mittel, das Rudolf Steiner entwickelte, ist das Hornmistpräparat. Hierzu wird ein Kuhhorn mit frischem Rindermist gestopft und über den Winter in gutem Humusboden vergraben. In dieser Zeit, nimmt es kristalline Sternenkräfte wie kosmischen Gedanken auf, die sich in Frost und Schnee offenbaren. Das Horn wirkt hierbei als Kondensator der formgebenden Energien. Im Frühjahr wird dann eine Prise des verrotteten Inhalts entnommen, in einen Eimer, gefüllt mit Regenwasser, eine Stunde lang mit einem Birkenreisigbesen verrührt. Rhythmisch im Wechsel linksdrehend, dann rechtsdrehend, so dass sich ein spiraliger Strudel (Trichter) bildet. Hierdurch wird das Wasser als Trägersubstanz sensibilisiert, für die im Präparat enthaltene Botschaft. Das fertig potenzierte Hornmistpräparat wird nun auf die junge Aussaat versprüht. Aussaat und Ernte erfolgen im Einklang mit kosmischen Rhythmen des Mondes und der Planeten.

In ähnlicher Weise entwickelte Rudolf Steiner unzählige, weitere Präparate. Zum Beispiel bereitete er den Kompost mit Kräutern auf, ehe er ihn im bio-dynamischen Anbau zum Einsatz brachte. Den Vorgang des Kompostierens beschrieb er als  “Verdauungsvorgang”, bei dem die Bestandteile der kompostierten Substanzen in ihre Strukturen zersetzt und aufgelöst werden. Entsprechend der alchemistischen Betrachtungsweise werden sie somit in das “Chaos” – in die Prima materia zurückgeführt. Ätherische Energien werden freigesetzt und ermöglichen eine Neustrukturierung. Der frisch gepflügte Boden kann die kosmischen Formkräfte dann erneut aufnehmen.

Bio-dynamische Landwirte arbeiten gemäß dem geozentrischen Weltbild, d.h., die planetarischen Präparate werden nach einem bestimmten Muster in die Kompostmasse eingepflanzt. Durch das Mitschwingen der Planetenkräfte wird der entstehende Humus empfänglicher für planetarische Einflüsse, die an die wachsenden Kulturpflanzen weitergeleitet werden.

Der Begriff “dynamisch” bezieht sich im Übrigen nicht nur auf den ökologisch, giftfreien Aspekt des Landbaus, sondern deutet uns auch auf die von Steiner angenommene Zusammenarbeit mit den göttlichen Hierarchien hin, und zwar in diesem Fall mit den sogenannten Mächten oder auch Dynameis.
(Quelle: Pflanzendevas-die geistig-seelischen Dimensionen der Pflanzen, Wolf-Dieter Storl, atVerlag)

Die Verwendung von Mineraldüngern, Pestiziden sowie die Anwendung von Gentechnik werden in der Biologisch-Dynamischen Landwirtschaft strikt abgelehnt. Nachweislich können die Zahl der Mikroorganismen, die Fruchtbarkeit der Böden und damit die Qualität der Nahrungsmittel durch die Biologisch-Dynamische Landwirtschaft erhöht werden.

Heute gibt es zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe, die sich der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise BDW verpflichtet fühlen und ihre Produkte unter dem Namen demeter vermarkten https://www.demeter.de/biodynamisches/preistraeger. Die Marke demeter steht heute nicht nur als Qualitätsgarant für Nahrungsmittel, sondern auch für Kosmetika und Heilmittel wie sie zum Beispiel die Firma Weleda herstellt https://www.weleda.de/weleda/identitaet/unsere-wurzeln. In England finden wir in der Shire Farm den größten Demeter Hof des Landes, auf dem die Inhaltsstoffe für das Farb-Pflege-System Aura Soma® angebaut werden https://www.shirefarm.co.uk/biodynamic-farming.aspx. Zudem verfügt Dev Aura, u. a. Seminar- und Ausbildungszentrum von Aura-Soma®,über eine vorzügliche vegetarische Küche, kreiert aus den Erträgen der Shire Farm, mitten in einem Land, das kulinarisch eher für „Fish & Chips“ bekannt ist.

Anthroposophische Medizin

Rudolf Steiner verstand den menschlichen Körper nicht nur als Maschine, die normalerweise in bestimmter Weise funktioniert und, wenn ihre Funktionalität gestört ist, durch mechanische Reparatur wieder herzustellen sei. Vielmehr erweiterte er den rein naturwissenschaftlichen Ansatz der modernen Schulmedizin um seine Kenntnis über den gesamten Menschen, zu dem auch seine geistigen Wesensglieder gehören.

 In den Jahren 1920 bis 1924 hielt Steiner zahlreiche Vorträge für Ärzte und Medizinstudenten und gab 1925 zusammen mit der Ärztin Ita Wegman das Buch Grundlegendes zu einer Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen heraus. Nach Steiners Auffassung war /ist die naturwissenschaftlich orientierte Schulmedizin nicht grundsätzlich falsch, sie greift allerdings zu kurz. Deshalb versteht er die anthroposophische Medizin als eine notwendige Erweiterung derselben:

Der Mensch ist, was er ist, durch Leib, Ätherleib, Seele (astralischer Leib) und Ich (Geist). Er muß als Gesunder aus diesen Gliedern heraus angeschaut; er muß als Kranker in dem gestörten Gleichgewicht dieser Glieder wahrgenommen; es müssen zu seiner Gesundheit Heilmittel gefunden werden, die das gestörte Gleichgewicht wieder herstellen.

[…]

Sie [die anthroposophisch orientierte Medizin] fügt zu der Erkenntnis des physischen Menschen, die allein durch die naturwissenschaftlichen Methoden der Gegenwart gewonnen werden kann, diejenige vom geistigen Menschen. (Rudolf Steiner, GA 27)

 

Auch im Bezug auf die Heilkunst verfügte Rudolf Steiner den Anbau der Heilkräuter nach himmlischen Konstellationen unter der Beachtung der Düngung mit gereiftem Kompost, der selbst mit besonderen Heilkräuterpräparaten (aus Kamille, Eichenrinde, Baldrian, Löwenzahn, Brennessel und Schafgarbe) behandelt worden war. Hier werden die Pflanzen für kosmische Impulse empfänglich gemacht, die dann dem Menschen wieder zu Gute kommen, wenn er die Heilpflanze einnimmt. Hierzu vermerkt Rudolf Steiner: Alles, was aus dem Makrokosmos auf uns zukommt und was wir in uns aufnehmen, wirkt in unsere Leiblichkeit hinein.

Wieder begegnet uns also die Berücksichtigung der Planetenkräfte. Unsere Sinneskräfte werden in die Kategorien voll bewusste, halb bewusste und unbewusste Vorgänge eingeteilt. Auf der leiblichen Ebene entsprechen sie den Stufen der Erde, der erdnahen Planeten (Mond, Merkur, Venus) und den erdfernen oberen Planeten (Mars, Jupiter, Saturn). Den Himmelskörpern werden bestimmte menschliche Organe und Körperfunktionen zugeordnet, sowie auch die dazugehörigen Heilsubstanzen und  Heilkräuter.

Heute hat die anthroposophisch orientierte Medizin den im Sinne des Sozialgesetzbuches rechtliche Status einer anerkannten besonderen Therapieform. Zumindest in größeren Städten finden wir niedergelassene Ärzte und Heilpraktiker, die nach Steiners Erkenntnissen praktizieren, außerdem mehrere Krankenhäuser sowie Forschungseinrichtungen in Deutschland und der Schweiz. Außerdem gibt es zahlreiche Ansätze, die die menschliche Gesundheit durch Wiederherstellung der Balance der Wesensteile des Menschen erhalten bzw. wieder herzustellen suchen. Zu ihnen gehört das Farb-Pflege-System Aura-Soma ® (Vicky Wall: Aura-Soma. Das Wunder der Farbheilung und die Geschichte eines Lebens. Deutsche Ausg.: Edition Sternenprinz im Hans-Nietsch-Verlag. Freiburg, 2006).

Spirituelles Christentum

Wie kein anderer hat Rudolf Steiner die Bedeutung des Christus-Ereignisses oder – wie er es häufig nennt – des Christus-Impulses für die Entwicklung der Menschheit herausgestellt. Jenseits aller Dogmatik von Religion und Kirchen sieht er im Erscheinen und Wirken des Göttlichen in Gestalt des Jesus Christus auf der Erde die entscheidende Kehrtwende in der Evolution der Menschheit.

Das Christentum hat begonnen als Religion, aber es ist größer als alle Religionen. Das, was das Christentum gibt, wird mitgenommen werden in alle Zeiten der Zukunft und wird noch einer der wichtigsten Impulse der Menschheit sein, wenn es keine Religion mehr geben wird. Selbst wenn die Menschen das religiöse Leben überwunden haben werden, wird das Christentum doch bleiben. Dass es erst Religion war, hängt mit der Entwicklung der Menschheit zusammen; aber das Christentum ist als Weltauffassung größer als alle Religionen (Rudolf Steiner, Berlin, 1908)

Obwohl er also Religion im herkömmlichen Sinne als vorübergehende Erscheinung einschätzte, kam Rudolf Steiner der Bitte einiger Priester um Erneuerung ihrer Kirche nach. Daraus entstanden die Christengemeinschaften, die bis heute in vielen Städten des Deutsch sprachigen Raumes zu finden sind.

 Doch wichtiger noch ist die Erkenntnis: Christus hat uns die Wahrheit gebracht und … die Wahrheit wird uns frei machen. Freiheit beinhaltet auch die Option des Irrtums und so sind wir Menschen die einzigen Wesenheiten im Kosmos, die irren können. Rudolf Steiner ist angetreten, um uns diese Möglichkeit immer wieder vor Augen zu halten und das Bewusstsein für die damit verbundene Verantwortung zu stärken. Das Ziel dieses Kosmos schließlich ist die Liebe, das Steiner so wunderbar in den folgenden Worten zum Ausdruck bringt:

Denn in Zukunftszeiten müssen die Menschen füreinander sein und nicht einer durch den anderen, nur so wird das Weltenziel erreicht, wenn jeder in sich selber ruht und jeder jedem gibt, was keiner fordern will.

Soziale Dreigliederung

Die soziale Frage trat vor allem seit der Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf. Sie benennt das Ungleichgewicht zwischen Prolitariat und Bourgoisie bzw. Bürgertum. Als Prolitariat bezeichnen wir die vielen als Fabrikarbeiter beschäftigten und dort oft gnadenlos ausgenutzten Menschen, das Bürgertum meint jene, die andere für sich arbeiten lassen können und selbst nicht durch Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Auch wenn sich die Gesellschaft seither gewandelt hat und Fabrikarbeiterjobs rar geworden sind, ist die soziale Frage bis heute nicht einmal ansatzweise gelöst. Im Gegenteil: Die Schere klafft weiter auseinander denn je, so dass die Zahl der zur ohnehin dünnen „Elite“ Gehörigen immer geringer und das Heer der abhängig Beschäftigten immer größer wird.

Rudolf Steiner suchte nach einer Lösung für dieses Dilemma und fand heraus, dass nicht nur der einzelne Mensch, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes in einem dreigliedrigen Organismus organisiert ist. Im Einheitsstaat werde jedoch alles einseitig unter rein wirtschaftlichen Belangen betrachtet. Die beiden anderen Glieder des Organismus würden der Wirtschaft untergeordnet, was von Schaden sei. Vielmehr müssten Bildung und Kultur auf der einen Seite und Rechtsleben auf der anderen Seite weitgehend unabhängig und gleichwertig neben das Wirtschaftsleben treten, damit der Organismus wieder gesunden könne. Die drei Werte der Französischen Revolution ordnete er eindeutig den drei Gliedern des gesellschaftlichen Organismus zu, und zwar die Freiheit dem Geistesleben, die Gleichheit dem Rechtsleben und die Brüderlichkeit dem Wirtschaftsleben.

Mit diesem ordnungspolitischen Konzept skizzierte Steiner eine Sozialordnung, von der er annahm, dass in ihr Freiheit und Solidarität gleichermaßen zu verwirklichen sind und der Prozess fortschreitender Emanzipation nicht nur nicht behindert, sondern sogar positiv unterstützt wird.

Erste Versuche, die soziale Dreigliederung in der Wirklichkeit zu etablieren, fanden kurz vor Ende des ersten Weltkrieges statt, scheiterten jedoch. Wer weiß, wie die Welt heute aussähe, wenn das nicht passiert wäre? Vielleicht hätten Sozialismus, Nationalismus und Raubtierkapitalismus verhindert werden können?

Aktuell wird die soziale Dreigliederung wieder aktiv in der Öffentlichkeit diskutiert z. B. in diversen regionalen Dreigliederungsgruppen, denen man sich über das soziale Netzwerk www.jungelo.de anschließen kann. Außerdem existieren bereits einige kleinere Parteien, die sich dieses zukunftsweisende Konzept auf ihre Fahnen geschrieben haben. Die Verwirklichung der sozialen Dreigliederung muss von Mitteleuropa ausgehen doch das, was den sozialen Organismus letztlich darstellen wird, kann sich in Zeiten der Globalisierung nur auf die gesamte Erde beziehen. Dies drückte Rudolf Steiner bereits vor 100 Jahren unmissverständlich aus: Das ist mit Händen zu greifen, seit wir Weltwirtschaft haben, daß wir die einzelnen Staaten nur mit Zellen vergleichen können. Die ganze Erde, als Wirtschaftsorganismus gedacht, ist der soziale Organismus.“ (GA 340)

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