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Denken schafft Wirklichkeit, auch nach dem Tod

Zitat

Die ahrimanischen Mächte bekommen das, was sie wollen …

Und während die Kirchen sich bloß zu der Bequemlichkeit entschlossen haben, zu den Instinkten der Menschen über die Unsterblichkeit zu sprechen, wurde in der europäischen Kultur und in ihrem amerikanischen Nachwuchs jener Materialismus herangezogen, der eigentlich im Inneren ganz darnach strebt, das Leben mit dem irdischen Leben zu beschließen. Diejenigen Materialisten, die heute theoretisch aber auch schon sozial anstreben, indem sie Einrichtungen, soziale Einrichtungen wollen, die eigentlich nur auf das Leben bis zum Tode hin berechnet sind, diese reinen Materialisten ziehen bis zum Bolschewismus hin die getreuen logischen Konsequenzen desjenigen, was die religiösen Bekenntnisse den Menschen anerzogen haben innerhalb der abendländischen Kultur.

Denn bloß von der Unsterblichkeit nach dem Tode zu sprechen, heißt heranzüchten im Unterbewussten die Sehnsucht, auch seelisch mit dem physischen Tode zu sterben. Das ist die Wahrheit, von der ich Ihnen heute sprechen möchte. Diese Sehnsucht, nichts zu wissen von einem übersinnlichen Leben, ist gerade durch das einseitige Reden von dem Ewigen nach dem Tode großgezogen worden.

Wenn man diese Wahrheit nicht in allen ihren ernsten Tiefen nimmt, so sieht man eben nicht die Zusammenhänge ein, in denen die Gegenwart der europäischen und amerikanischen Zivilisation mit der Vergangenheit steht. Denn das Vertreten eines bloßen Lebens nach dem Tode ist das Erziehen zu der unterbewussten Sehnsucht, das Leben zu beschließen mit dem physischen Tod.

Und man muss sagen, es gibt bereits eine große Anzahl von Menschen in der sogenannten zivilisierten Welt, die eigentlich in ihrem Unterbewusstsein die ganz intensive Sehnsucht tragen, nichts zu tun haben zu wollen mit der Ideologie von einem Leben nach dem Tode und mit dem physischen Tode das Leben zu beschließen. Alle diejenigen Menschen, aus deren Herzen hervorgehen die materialistischen Anschauungen, haben in ihrem Unterbewusstsein eigentlich das allerintensivste Streben, mit dem physischen Tod unterzugehen. Wenn sie sich auch in dem Oberbewusstsein der Illusion hingeben, weil ihr Egoismus nichts anderes ertragen kann, nach dem Tode fortleben zu wollen, ihr Unterbewusstsein strebt darnach, mit dem physischen Tode unterzugehen.

Die Wirklichkeit ist in Wahrheit noch viel ernster. Wenn der Mensch nämlich genügend intensiv durch genügend lange Zeit diese unterbewusste Sehnsucht ausbildet, mit dem physischen Tode zugrunde zu gehen, so geht er auch mit dem physischen Tode zugrunde. Dann hört das, was da als Geistig-Seelisches vorhanden ist und was sich sein Abbild schaffte, auf, eine Bedeutung zu haben; dann vereinigt es sich wiederum mit geistigen Welten und verliert die Ichheit. Das Abbild der Ichheit wird ahrimanisch umgestaltet, und die ahrimanischen Mächte bekommen das, was sie wollen: sie bekommen das irdische Leben in die Hand. Das heißt, ein großer Teil der heutigen zivilisierten Welt strebt darnach nicht die Zivilisation der Erde fortzusetzen, sondern die Menschen zum Sterben zu bringen und ganz anderen Wesen als die Menschen es sind, das irdische Leben zu übergeben.

Es nützt heute nichts, auf diese Dinge nicht hinzuweisen. Es ist natürlich unbequem, diese Dinge hinzunehmen, und viel bequemer ist es, wenn man sich bloß zu sagen braucht,: der Materialismus ist eben falsch; nun, man bekehrt sich allmählich zu einer besseren Weltanschauung. – Nein, darum handelt es sich nicht. Dasjenige, was im Menschen Gedanken sind, wird zu Wirklichkeiten, und die materialistischen Gedanken werden nach und nach materialistische Wirklichkeiten.“

(Rudolf Steiner, Heilkraft für den sozialen Organismus, GA 198, Vortrag vom 17. Juli 1920)