"Pflicht" und "Recht" im sozialen Organismus
Wo baut sich der soziale Organismus auf, und wo baut er sich ab?
Das ist nun die Frage, zu der sich das Begriffspaar "Pflicht" und "Recht" ausweitet. Das soziale Leben speist sich aus der geistigen Leistung der einzelnen Menschen. Aus dem, was man KULTUR (im Gegensatz zur Zivilisation) nennt. Aus der Pflegsamkeit (CULTURA), die menschlichen Persönlichkeiten ihrem Werk angedeihen lassen können, weil sie nicht seelische Sklaven, sondern geistige Herren ihres Wirkens sind. Die Nahrungsmittel, die Speisen des sozialen Organismus, sind in den sozialen Zusammenhang als "Wort" getragenen Geistesprodukte und Geistesleistungen der einzelnen. Wo immer man sich auch den Urstand des "WIR" denke: es muss verhungern, wenn ihm nicht Brot aus der inneren Kultur des pflegsamen Menschen, sagen wir: aus dem Acker des Geistesstandes, gereicht wird. Aus dem einsamen treuen Denken stiller Gelehrter stammen letztlich die Gedanken, an denen sich seit Jahrhunderten aller Technik mit ihrer ungeheuren gesellschaftsumformenden Kraft entfaltet hat.
Ob dem Brot Sand beigemischt, immer mehr statt Brot Stein gereicht worden ist, das ist die organisch formulierte Problematik: ob die "Zivilisation" nicht daran krankt, daß in ihr der soziale Leib unterernährt, der soziale Zusammenhang der Menschen dürr und formal geworden ist? was immer - vom Künstler, vom Gelehrten, vom Priester, vom Schullehrer und überhaupt von jedem denkenden und sprechenden Menschen - als Ergebnis seines geistigen Tuns in eine enge oder weite Umwelt gereicht wird: es muss nicht nur "individuell", sondern auch "sozial" gewertet werden. Beim Hinaustreten aus der Innenwelt des schöpferischen Menschen in die Umwelt des sozialen Zusammenlebens wandelt sich für jeden Gedanken, der ausgesprochen wird, die ganze Verumständung so, wie für´s Korn, wenn es vom Halm zum Bäcker wandert. Die Einsicht in diesen Wandlungsvorgang mindert die Freiheit des Geistesleben so wenig, als ein Bauer unfrei wird, wenn er sich gesteht, dass er nicht all sein Korn selbst essen wird. Sie steigert nur die Verantwortung - und also die richtig verstandene Freiheit!
Freies Geistesleben ist etwas anderes als Expressionismus unausgereifter Subjektivismen. Es erbildet sich aus dem gegenseitigen Nehmen und Geben der Ernten innerlicher Kulturen.
(Auszug aus: "Die Neugeburt des deutschen Rechts", Roman Boos 1933)
"Pflicht" und "Recht" im sozialen Organismus
Wo baut sich der soziale Organismus auf, und wo baut er sich ab?
Das ist nun die Frage, zu der sich das Begriffspaar "Pflicht" und "Recht" ausweitet. Das soziale Leben speist sich aus der geistigen Leistung der einzelnen Menschen. Aus dem, was man KULTUR (im Gegensatz zur Zivilisation) nennt. Aus der Pflegsamkeit (CULTURA), die menschlichen Persönlichkeiten ihrem Werk angedeihen lassen können, weil sie nicht seelische Sklaven, sondern geistige Herren ihres Wirkens sind. Die Nahrungsmittel, die Speisen des sozialen Organismus, sind in den sozialen Zusammenhang als "Wort" getragenen Geistesprodukte und Geistesleistungen der einzelnen. Wo immer man sich auch den Urstand des "WIR" denke: es muss verhungern, wenn ihm nicht Brot aus der inneren Kultur des pflegsamen Menschen, sagen wir: aus dem Acker des Geistesstandes, gereicht wird. Aus dem einsamen treuen Denken stiller Gelehrter stammen letztlich die Gedanken, an denen sich seit Jahrhunderten aller Technik mit ihrer ungeheuren gesellschaftsumformenden Kraft entfaltet hat.
Ob dem Brot Sand beigemischt, immer mehr statt Brot Stein gereicht worden ist, das ist die organisch formulierte Problematik: ob die "Zivilisation" nicht daran krankt, daß in ihr der soziale Leib unterernährt, der soziale Zusammenhang der Menschen dürr und formal geworden ist? was immer - vom Künstler, vom Gelehrten, vom Priester, vom Schullehrer und überhaupt von jedem denkenden und sprechenden Menschen - als Ergebnis seines geistigen Tuns in eine enge oder weite Umwelt gereicht wird: es muss nicht nur "individuell", sondern auch "sozial" gewertet werden. Beim Hinaustreten aus der Innenwelt des schöpferischen Menschen in die Umwelt des sozialen Zusammenlebens wandelt sich für jeden Gedanken, der ausgesprochen wird, die ganze Verumständung so, wie für´s Korn, wenn es vom Halm zum Bäcker wandert. Die Einsicht in diesen Wandlungsvorgang mindert die Freiheit des Geistesleben so wenig, als ein Bauer unfrei wird, wenn er sich gesteht, dass er nicht all sein Korn selbst essen wird. Sie steigert nur die Verantwortung - und also die richtig verstandene Freiheit!
Freies Geistesleben ist etwas anderes als Expressionismus unausgereifter Subjektivismen. Es erbildet sich aus dem gegenseitigen Nehmen und Geben der Ernten innerlicher Kulturen.
(Auszug aus: "Die Neugeburt des deutschen Rechts", Roman Boos 1933)